Nach einer Sehenswürdigkeit wird man in Frankfurt von architekturinteressierten Touristen sehr häufig gefragt: Dem IG-Farben-Haus. Entworfen vom Architekt Hans Poelzig.
Bei den Bewohnern von Frankfurt ist der beeindruckende Bau im Westend allerdings nicht so sehr im Bewusstsein. Mag sein, dass das auch mit der nicht unproblematischen Geschichte des Bauwerks, beziehungsweise der Rolle der IG-Farben während der NS-Zeit, zu tun hat oder damit, dass das Gelände lange Zeit Sperrgebiet war. Teilweise hat man aber das Gefühl, dass das Bauwerk am Innenstadtrand schlicht und einfach ein wenig vergessen wird.
Mittlerweile befindet sich dort ein großer Teil des Frankfurter Uni-Campus – der stetig und in hohem Tempo erweitert wird. Auch die neu hinzugefügten Gebäude sind sehenswert. Zentrum des Uni-Standortes ist aber nach wie vor das klar gegliederte, leicht geschwungene und alleine schon wegen seiner Größe beeindruckende Hauptgebäude.
Man betritt das Gebäude durch einen repräsentativ gestalteten Haupteingang mit geschwungenem Treppenaufgang. Im Inneren des Gebäudes sind sogar die alten Paternoster, mit denen sich die 8 Stockwerke erreichen lassen, noch vorhanden. Hinter dem Haupteingang schließt sich direkt eine Rotunde an, in der sich nun, wie in früheren Zeiten, wieder ein Café befindet. Zum gesamten Komplex gehört auch das Kasino, ein schön gestalteter, niedriger Flachbau mit davorliegender Terrasse und Bassin, in dem heute Mensa und Hörsäle untergebracht sind.
Das gesamte Gebäude wurde von 1928-1931 gebaut und 15 Jahre von der I.G. Farbenindustrie AG (einem Zusammenschluss fast aller großen deutschen Chemieunternehmen) genutzt. Es war seinerzeit Europas größtes Bürogebäude. Belastet ist es durch die aktive, teils massive Unterstützung des NS-Regimes durch die IG-Farben (massenhafte Beschäftigung und Ausbeutung von Zwangsarbeitern in Konzentrationslagern, Produktion von Zyklon B, finanzielle Unterstützung der NSDAP, strategische Produktion kriegswichtiger Güter).
Nach dem Ende des Krieges, währenddessen das IG-Farben-Haus – bewusst oder zufällig (hierzu sind keine eindeutigen Informationen zu finden) – fast unbeschädigt blieb wurde das Gebäude recht schnell zum amerikanisches Hauptquartier unter General Dwight D. Eisenhower umgenutzt.
Geschichtlich wichtige Ereignisse waren in dieser Zeit die Unterzeichnung der hessischen Verfassung, die Erteilung des Auftrag zur Ausarbeitung des Grundgesetzes an die damaligen 11 westdeutschen Ministerpräsidenten und die Verkündung der DM als neue deutsche Währung. In den Siebzigerjahren war der Standort Ziel eines RAF-Bombenanschlags, dem ein amerikanischr Oberstleutnant zum Opfer fiel und bei dem 13 weitere Soldaten verletzt wurden.
Bis Ende der Neunziger Jahre, zum Truppenabzug, blieb es im Besitz der amerikanischen Streitkräfte. Das ursprüngliche Büro Eisenhowers ist bis heute erhalten. 1996 erwarb das Land Hessen den Bau. Zwischenzeitliche Pläne dort den neuen Sitz der europäischen Zentralbank zu schaffen zerschlugen sich recht schnell wieder. Stattdessen wurde die Vision aufgegriffen das Gebäude und das anliegende, nun freigewordene, Kasernengelände zum „modernsten Campus Europas“ auszubauen. Das Bauwerk wurde denkmalgerecht saniert und 2001 der Universität Frankfurt übergeben.
Ein Besuch des Gebäude und das Geländes ist auch Nicht-Studenten zu empfehlen. Zum Einen sind die damals entworfene Architektur von Hans Poelzig und die Grünanlagen drumherum sehenswert. – Zumindest natürlich, wenn man sich für Architektur & Bauwerke interessiert. Zum Anderen lässt sich vor allem am Wochenende gut Zeit auf den großen Rasenflächen rund um das Gebäude verbringen. – Abseits vom Stadtgetümmel. Ziemlich ruhig & entspannend. – Der Blick vom Haupteingang auf die Skyline & Stadt, ist auch nicht der schlechteste und generell bieten sich viele interessante Blickwinkel & Fotomotive.
Um sich mit der Geschichte des Gebäudes auseinanderzusetzen gibt es seit einiger Zeit einen Gedenkraum im ehemaligen Pförtner-Haus. Hier sind Infoscreens aufgestellt, die das Schicksal der Zwangsarbeiter zeigen und die Verbrechen der damaligen Zeit beleuchten. – Nichtsdestotrotz scheint der Geschichtsumgang nicht ganz so einfach zu sein. Große Diskussionen entwickelten sich, als das Haus Ende 2009 in „Poelzig-Bau“ umbenannt wurde. Der berechtigte Kritikpunkt: Man sollte dadurch Geschichte nicht einfach „reinwaschen“.
IG-Farben-Haus/Poelzig-Bau/Universität
Frankfurt, Grüneburgweg 1
Kommentare
Eine Antwort zu „IG-Farben-Haus“
Es gibt eine tolle Hausarbeit einer Studentin zum IG-Farben-Haus:
http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/106478.html
Viel Spaß!